Amerikanischer Wissenschaftler, beschreibt 1945 ein Hypertextsystem (1890-1974)
Der am 11. März 1890 als Sohn eines Predigers in Everett, Massachusetts, geborene Vannevar Bush kann als der geistige Vater des Informationszeitalters bezeichnet werden. 1945 beschrieb er in seinem Aufsatz „As may we think“ (Wie wir denken können) eine Maschine mit der Bezeichnung Memex. Damit sollten Informationen festgehalten und durch Verweise, die der menschlichen Assoziation entsprechen, verbunden werden. Ganz wie in einem Hypertextsystem, bei dem die Leser durch Verweise, die Links, von einem Dokument zu vielen anderen geführt werden und so die Assoziationen des Autors nachvollziehen können. Vannevar Bush promovierte an der Harvard-Universität zum Dr. Ing. und war von 1914 bis 1917 als Professor für Elektrowissenschaften tätig. Während des ersten Weltkrieges arbeitete er für die amerikanische Marine an Systemen zur Ortung von U-Booten. Nach dem Krieg ging er zum MIT, an dem er 25 Jahre blieb. Dort beschäftigte er sich unter anderem mit der Konstruktion analoger Rechner und Systemen zur Recherche in umfangreichen Beständen von Mikrofilmen. Im zweiten Weltkrieg wurde er von Präsident Roosevelt als Vorsitzender des Komitees für neue Waffen und Ausrüstung berufen. Dort versammelte er 6000 Wissenschaftler, die für das amerikanische Kriegspotential arbeiteten. Unter der Federführung von Bush wurden militärische Projekte vom Amphibienfahrzeug über Radarsysteme und bewußtseinsverändernden Drogen bis zum Manhattan Projekt zum Bau der ersten Atombombe durchgeführt. Er selbst entwickelte einen speziellen Langbogen mit starker Durchschlagskraft für den europäischen Widerstand gegen die Nazis – Bush war begeisterter Amateurbogenschütze-. Aus heutiger Sicht könnte man Bush fast als einen Befürworter des Wettrüstens und Kalten Krieger bezeichnen, denn noch 1949 veröffentlichte er ein Buch mit dem Titel „Moderne Waffen – Freie Menschen“ in dem es heißt: „ Nichts dürfte so geeignet sein, um einen neuen Weltkrieg zu verhindern, wie allein die Existenz moderner Kampfmittel.“ Wesentlich friedlicher war der 1945 erschienene Artikel „As may we think“. Dort entwarf er Memex, eine Maschine zur persönlichen Ergänzung des Gehirns. Gemäß Vannevar Bush liegt die größte Schwierigkeit bei der Verarbeitung großer Informationsmengen in der Organisation der Informationen. Während herkömmliche Systeme die Bestände alphabetisch oder numerisch ordnen und dadurch den Zugriff erschweren, erdachte Bush ein System, das der menschlichen Denkweise nahekommt. Beim Studium von Unterlagen sollte es möglich sein, diese durch eine mechanische Vorrichtung zu verknüpfen und so „Assoziationspfade“ zu erstellen, die ihrerseits von jeder anderen Person aufgerufen und nachvollzogen werden könnten. Dadurch sollte eine neue Form des Erbes möglich werden: vererbbares Gedankengut. Bush stellte sich Memex wie einen Schreibtisch vor, der die gesamte Bibliothek und Kommunikation einer Person in Form von Mikrofilmen enthielt. Eine Vorrichtung sollte es ermöglichen, auf einfache Weise neue Dokumente einzuspeisen, wobei die Speicherkapaziät für einige hundert Jahre ausreichen sollte. Zur Dateneingabe war zunächst eine Mechanik vorgesehen, Vannevar Bush konnte sich aber für die Zukunft durchaus eine direkte Verbindung zum menschlichen Gehirn vorstellen. Nach dem Krieg bemühte er sich um die Bündelung der staatlichen Forschungsmittel, um sie für zivile Zwecke nutzbar zu machen. Auf seine Anregung geht unter anderem die Advanced Research Projects Agency (ARPA) zurück. Er setzte sich für die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft ein, um so für die Forschung weitere Geldquellen zu erschließen und nahm dadurch die heute übliche Zusammenarbeit im High-Tech Bereich vorweg. Er selbst gehörte zu den Gründern des heutigen Rüstungskonzerns Raytheon. In den 50-er Jahren entwickelte Bush unter anderem Konzepte zur Gewinnung von Rohstoffen aus dem Ozean mittels lebendiger Organismen. Er war 14-facher Ehrendoktor und erhielt zahlreiche Auszeichungen. Vannevar Bushs Memex wurde nie auch nur in Ansätzen gebaut, aber er hatte damit zwei wesentliche Probleme des Informationszeitalters angesprochen: Die Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine sowie die Organisation der wachsenden Informationsflut. Bush, der 1974 starb, konnte den Beginn der Realisierung seiner Vision noch erleben. 1972 sagte Ted Nelson, der 1965 den Begriff „Hypertext“ prägte : “… Der Memex ist hier. Die Pfade von denen er sprach – entsprechend verallgemeinernd Hypertext genannt – könnten und sollten zur vorherrschenden Form des Verlagswesens der Zukunft werden.“
Beitragsbild: Von US Department of Energy – File:HD.1A.018_(14651763814).jpg, Gemeinfrei,