Amerikanischer Spieleentwickler.
Anfang 1998 herrschten in Britannia haarsträubende Zustände, die das amerikanische Magazin Wired mit den Worten „Faschismus in den Städten, Chaos draußen“ zusammenfaßte. Die Ökonomie des Landes stimmte nicht, es gab zu viele Waren und zu wenig Geld. So hatten es die rechtschaffenen Bürger des Gemeinwesens zusehends schwer, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Hinzu kam, daß das Land von marodierenden Banden unsicher gemacht wurde und die Städte unter dem strengen Regiment von automatischen Wächtern standen, die Gesetzesbrecher ohne viel Federlesens hinrichteten. Bereits Ende 1997 hatte es in Britannia einen Aufstand gegeben, eine Anzahl betrunkener Bürger entledigte sich ihrer Kleidung, und versuchte die Burg des Herrschers zu erstürmen. Sie forderten die schnellere Behebung von Fehlern und einen störungsfreien Zugang über das Internet. Das Rollenspiel „Ultima Online“ hatte bereits kurz nach dessen Veröffentlichung im Internet über 60.000 Mitspieler, die das oben beschriebene Chaos verursachten. „Ultima Online“ ist ein Rollenspiel im Netz, bei dem in 3D Grafik ein mittelalterliches Land nachgebildet wird. Dabei kommt es aber in der Hauptsache nicht darauf an, Feinde zu bekämpfen oder Monster zu töten. Das Anliegen des Spieleentwicklers Richard Garriot war es, eine „vollständig künstliche Welt“ zu bauen. Das scheint ihm gelungen zu sein, denn viele der Mitspieler verbringen wöchentlich über 20 Stunden in „Britannia“. Wer mitspielen möchte, muß sich zuerst die Software kaufen und kann dann, gegen eine monatliche Gebühr, vom heimischen Computer aus die künstliche Welt betreten. Der Sinn des Spiels ist es, „zu leben“. Die Spieler gehen verschiedenen Tätigkeiten nach, sie sind Handwerker, Jäger, Heiler usw. Durch Mausklick auf verschiedene Gegenstände werden Aktionen ausgelöst, ein Wassereimer wird getragen, ein Tier erlegt und gehäutet oder ein Bierkrug ausgetrunken. Durch verschiedene Taten können die Spieler ihren Figuren beispielsweise Stärke, Geschicklichkeit und Intelligenz verleihen. Besonders entwickelte Charaktere werden auch verkauft. Beim Auktionshaus eBay wurde eine solche Figur bereits für 8000 Dollar angeboten. Zwischenzeitlich haben sich drei Spielertypen herausgebildet: 1. Personen, die in Britannia Fähigkeiten entwickeln, um einen besonderen Status zu erlangen, etwa Magier. 2. Spieler, die Kontakte zu anderen suchen und 3. Figuren, die Streit anzetteln. Richard Garriots Spielfigur wachte als „Lord British“ in seiner Burg über die Szenerie. .“Lord British“ ist ein Spitzname Garriots, der dem 1960 in Cambridge Geborenen von seinen Schulkameraden wegen seines guten Englisch gegeben worden sein soll und mit dem er alle seine Spiele signierte. Der in Texas aufgewachsene Junge las schon als Kind begeistert J.R. Tolkins Fantasy-Trilogie „Der Herr der Ringe“ und spielte sogenannte Pencil und Paper Rollenspiele. Bei einem Programmierkurs in der Schule hatte er die Gelegenheit, auf einem Großrechner sein erstes Rollenspiel zu entwickeln. Der Spieler bewegte sich durch ein Labyrinth, das in der Draufsicht mitsamt allen Figuren aus Buchstaben und Sonderzeichen mit einem Matrixdrucker ausgedruckt wurde. Die Eingabe der Spielzüge erfolgte über ein Fernschreibterminal. 1979 arbeitete Garriot in einem Computerladen, wo er den Apple II kennenlernte. Auf diesem Computer programmierte er innerhalb eines Jahres das Spiel „Akalabeth“, bei dem der Spieler verschiedene Ungeheuer bekämpfen mußte. Sein Chef zeigte sich begeistert und begann Kopien des Spiels auf Cassetten zu verkaufen. Allerdings konnte er nur acht Exemplare absetzen, von denen eines zu einem Softwarehersteller in Kalifornien gelangte. Diese Firma schloß einen Vertrag mit Richard Garriot und verkaufte letztendlich über 30.000 Disketten von „Akalabeth“. Garriot hatte inzwischen begonnen, an der Universität von Texas zu studieren. Gemeinsam mit einem Freund entwickelte er in seiner Freizeit das Spiel „Ultima“, in dem sich der Spieler in einem mystischen Land bewegt und bei Kämpfen gegen gefährliche Kreaturen möglichst viele Punkte für einen Entscheidungskampf mit einem mächtigen Magier sammeln mußte. Verbesserte Versionen folgten, sie wurden von der Firma Sierra vertrieben. 1982 brach Richard Garriot sein Studium ab und gründete mit seinem Bruder Robert und seinem Vater, dem Astronauten Owen Garriot, in der elterlichen Garage in Austin die Firma „Origin Systems“, um seine Entwicklung selbst zu vermarkten. Das Spiel „Ultima“ wurde immer weiter verfeinert, computergesteuerte Personen, sogenannte „Non Player Charakter“, mit denen die Spieler interagieren konnten, kamen hinzu. Auch der Sinn des Spiels wandelte sich: Es ging nicht mehr ausschließlich um das Bekämpfen von Ungeheuern, sondern die Spieler konnten zum Beispiel Tugenden sammeln. 1997 ging das Spiel ins World Wide Web. Neben dem oben beschriebenen Geschehen kam es auch zu einem „Zwischenfall“, bei dem ein Mitspieler „Lord British“ tötete. Ein Spielzug, der eigentlich nicht vorgesehen war. Der 23-jährige Spieler wurde daraufhin von dem Spiel ausgeschlossen. Im März 2000 hat Richard Garriot seine Firma, die zuvor an ein anderes Unternehmen verkauft worden war, im Streit verlassen. Er lebt in einem Anwesen, das der Burg des Herrschers aus seinem Spiel nachempfunden ist. Die Gebäude des Komplexes sind durch unterirdische Gänge miteinander verbunden, die zum Teil mit Wasser gefüllt sind. Das Bett von Richard Garriot befindet sich unter einer Kuppel, die geöffnet werden kann und das Nächtigen unter freiem Himmel erlaubt. Gäste schlafen in Betten, die an drehbaren Wänden befestigt sind, so daß seine Besucher in einem anderen Raum erwachen als sie eingeschlafen sind.
Beitragsbild: Von Rob Fahey -, CC BY-SA 2.0,