Amerikanischer Wissenschaftler, Begründer der „Aufmerksamkeitsökonomie“.
Für Michael H. Goldhaber leben wir in einer Zeit des Wandels von der Industriegesellschaft hin zu einem System, in dem die Aufmerksamkeit die größte Rolle spielt. Schon beim Übergang von der Feudal- zur Industriegesellschaf hat sich etwas ähnliches abgespielt: Die Bedeutung der Adelstitel wurde vom Geld abgelöst. Heute läßt sich die Ablösung des Geldes durch Aufmerksamkeit beobachten. Zugegeben steckt das von Goldhaber postulierte System noch in den Anfängen, doch seit etwa 1965 sollen seine Auswirkungen erkennbar sein. Schon der amerikanische Künstler Andy Warhol verkündete 1967, daß zukünftig jeder, zumindest für 15 Minuten, weltberühmt werden könne. Inzwischen sorgen die globalisierten Medien für die weltweite Bekanntheit von Stars und Sternchen aus den unterschiedlichsten Sparten, die Politiker buhlen in allen Kanälen um die Aufmerksamkeit des Publikums und durch das Fernsehen hat jedermann die Möglichkeit, eine noch vor einigen Jahren unvorstellbare Popularität zu erlangen. Auch im Internet scheint diese Tendenz sichtbar, auf unzähligen Homepages werden etwa die Details des Privatlebens vor aller Öffentlichkeit ausgebreitet. Natürlich gibt es auch Unternehmer, die mit der Aufmerksamkeit Geld zu verdienen suchen. Zum Beispiel versuchte Nat Goldhaber, ein Verwandter Michael Goldhabers, mit der Firma Cybergold aus der Aufmerksamkeit von Web-Surfern Kapital zu schlagen, indem er sie Werbung anschauen läßt und sie dafür bezahlt. Michael H. Goldhaber wurde 1942 in Urbana, Illinois, als Sohn deutsch-jüdischer Flüchtlinge geboren. Er promovierte 1968 an der Universität Stanford in theoretischer Hochenergie-Physik. Später arbeitete er am Institut für politische Studien in Washington D.C. und war längere Zeit Gastprofessor am „Institut für das Studium sozialer Veränderungen“ an der Universität von Kalifornien in Berkeley. Inzwischen lebt er als freier Sozialforscher am Rande des ßßß Silicon Valley. Sein Interesse an der Soziologie wurde nach seiner Promotion durch seine ablehnende Haltung gegenüber dem Vietnamkrieg geweckt. Im Zusammenhang mit soziologischen Studien kam er schließlich auch in Berührung mit den Entwicklungen rund um den Microprozessor. Goldhaber war Mitte der 80-er Jahre wesentlich an der Verbreitung des Begriffes der „Informations-Ökonomie“ beteiligt. Der Ausgangspunkt für seine Theorie lag 1985 in der Frage, warum das Geschäft mit den Informationen derartig erfolgreich zu werden begann, obwohl die gängigen Theorien davon ausgehen, daß im heutigen System durch die Verknappung von Gütern Gewinn erzielt wird. Wenn wir auch inzwischen an Informationen schier ertrinken, scheint das Wachstum der Informationstechnologie ungebrochen. Für Goldhaber eine Bestätigung seiner Theorie der Aufmerksamkeitsökonomie. Überall wo auf einem Kanal Informationen fließen, strömt auf einem zweiten Kanal Aufmerksamkeit zurück. Alle Anstrengungen der Akteure gehen nun, laut Goldhaber, dahin, möglichst viel Aufmerksamkeit zu erhalten. In der heutigen Übergangszeit seien Geld und Aufmerksamkeit noch verknüpft, was zum Beispiel an den unermeßlichen Vermögen der Stars erkennbar sei. Verkürzt dargestellt, ginge die Tendenz dahin, die Verfügbarkeit über materielle Güter direkt von der empfangenen Aufmerksamkeit abhängig zu machen, schon heute sei es ja theoretisch möglich, alle Dinge des täglichen Bedarfs weitgehend automatisch herzustellen und auch der Hunger der Welt sei letztendlich nur ein Verteilungsproblem. Natürlich wird nicht jeder genügend Aufmerksamkeit auf sich ziehen können und die Verlierer in diesem System müssen darauf achten, daß es ihnen nicht so ergeht, wie einem Obdachlosen in Los Angeles, der mitten am Tage auf einer belebten Straße starb und niemand ihn beachtete.