Artnet.com

Screenshot der Webseite 2001

„Galerien-Datenspeicher“ im Internet.

Hans Neuendorf, der Vorstandsvorsitzende von Artnet.com, hat eigentlich gar keine Beziehung zu Computern. In dieser Hinsicht sei er „wie ein Autofahrer, der nicht in der Lage ist die Motorhaube zu öffnen und an der richtigen Stelle den Schraubenzieher anzusetzen“, wie er selbst sagt. Aber als er erfuhr, daß es möglich ist, farbige Bilder von einem Computer zum anderen zu übertragen, hat es bei ihm „Klick“ gemacht, denn „farbige Abbildungen beinhalten alles, was Sie über ein Bild wissen müssen, sind der Schlüssel zu allem“.
Artnet.com wurde 1989 als Centrox Corporation gegründet. Der Firmengründer Pierre Sernet war ein leidenschaftlicher Sammler japanischer Fotografien aus dem 19. Jahrhundert, der sich vom Internet etwas Erleichterung bei der mühsamen Suche nach Sammlerstücken versprach, die bislang stets mit dem Wälzen dicker Auktionskataloge verbunden war. Neuendorf stieg 1990 in die Firma ein, die er später übernahm. Zunächst wurde eine Datenbank eingerichtet, welche die bei Auktionen erzielten Preise von Kunstwerken enthielt. Gegen eine Gebühr konnten interessierte Kunden über Compuserve und Infonet auf den Datenbestand zugreifen. Dadurch sollte Transparenz in den ziemlich undurchsichtigen Kunstmarkt gebracht werden. 1995 ging Artnet, wie die Firma inzwischen hieß, für das allgemeine Publikum im World Wide Web online. Hier wurde neben dieser Datenbank ein „Galerien-Datenspeicher“ (Neuendorf) eingerichtet, in dem inzwischen über 800 Galerien ausgewählte Arbeiten anbieten. Artnet sieht sich dabei als Dienstleister: Der Kunde kann sich einen Überblick über das Angebot machen. Gekauft wird direkt bei der Galerie, von der Artnet eine Gebühr für die Präsentation im Internet erhält. Die Galeristen sparen dadurch enorm viel Geld: Die Präsentation bei Artnet kostet nur 10 % dessen, was für einen gedruckten Katalog zu bezahlen wäre. Auch werden inzwischen Kunstauktionen durchgeführt, bei denen eine Provision fällig ist. Allerdings werden hauptsächlich Druckgrafiken und Lithografien umgesetzt., die naturgemäß nicht so teuer sind. Daneben gibt es das Artnet Magazine, dessen Chefredakteur Walter Robinson sich an der Boulevardpresse orientiert. Robinson, der auf amüsante und verständliche Weise schreibt, kann hier ohne kommerzielle Kompromisse arbeiten und versucht mit täglichen Berichten über Kunst und Bilder, die einer Galerie eigene Live-Atmosphäre zu verbreiten.
Hans Neuendorf wurde 1937 geboren und studierte Philosophie, bevor er sich dem Kunsthandel zuwandte. In seinen Galerien in Hamburg und Frankfurt stellte er renommierte Künstler, wie David Hockney, Andy Warhol oder Georg Baselitz aus. 1967 gehörte er zu den Mitinitiatoren der ersten Kölner Kunstmesse, aus der sich die Art Cologne entwickelte. Das nötige Kapital für Artnet besorgte er sich dadurch, daß er Freunde und Bekannte als Aktionäre gewann. Hans Neuendorf ist zuversichtlich, bald in die Gewinnzone zu kommen, er geht davon aus, daß es richtig ist das Drei bis Vierfache des Umsatzes für die Werbung auszugeben, denn „Jeder Dollar den ich heute für Werbung ausgebe, ist nächstes Jahr drei Dollar wert. … Entweder man prescht vor oder man verliert. Das ist so. Und wir preschen vor.“

Beitragsbild: Screenshot 2001