Boo.com

Onlinekaufhaus, „Pleite des Jahres“ 2000.

Screenshot 2001

Kasja Leander und Ernst Malmsten hatten 1999 eine tolle Idee: Ein Onlinekaufhaus der Extraklasse. Die Kunden sollten die angebotenen Waren, exklusive Bekleidung, nicht nur auf platten zweidimensionalen Bildern präsentiert bekommen. Animierte Produktdarstellungen sollten es ermöglichen, die Kleidungsstücke zum Beispiel zu drehen und von allen Seiten zu begutachten, eine virtuelle Einkaufsberaterin den Kunden zur Seite stehen. Boo sollte „den Kleidungskauf revolutionieren“, ein Lebensstil werden! So war es für die Gründer ein Leichtes, Kapitalgeber zu begeistern, und in kurzer Zeit über 120 Millionen Dollar einzusammeln. Das mit vielen Vorschußlorbeeren bedachte Projekt war jedoch bereits im Frühjahr 2000 pleite. Wie konnte das passieren? Hatten die damals 28 Jahre alten Gründer aus Schweden doch bereits 1997 in ihrem Heimatland erfolgreich den Internetbuchshop bokus.com aufgezogen. Als Boo.com im November 1999 online ging, hatten die Interessenten schon über drei Monate auf die langersehnte Seite gewartet, denn der Start hätte bereits im Sommer erfolgen sollen. Die Macher von Boo hatten einen Online-Auftritt mit allen Schikanen entwickelt, animierte Schaufensterpuppen konnten gedreht werden, man konnte die Produkte heranzoomen… Doch sie hatten die Rechnung ohne den Wirt gemacht: 98% der amerikanischen und 99% der europäischen Internetnutzer hatten gar nicht die technische Ausstattung, um die Seiten von Boo in der vorgesehenen Weise aufrufen zu können. Man mußte schlicht zu lange warten, bis sich die Seiten aufgebaut hatten, was der deutsche Geschäftsführer von Boo, Christoph Vilanek, mit den Worten:“ Wir wollen Leute, die auf Mode und Styling Wert legen … Die wollen gar nicht schnell durch die Seite, sondern sich vom Umfeld begeistern lassen und wohl fühlen.“ abtat. Schon Ende Januar 2000 wurden Mitarbeiter entlassen und das bis dato unabhängig im Netz stehende Lifestyle Magazin „BooMagazin“ wurde in den Auftritt von Boo.com integriert. Im Mai verfügte Boo, bei einem wöchentlichen Bedarf von einer Millionen Dollar, nur noch über 500000 Dollar und es gelang nicht, neues Kapital aufzutreiben. Daher mußte die Firma im Juni 2000 ihre Pforten schließen. Die Software wurde an eine englische Technologiefirma verkauft und der Markenname ging an die amerikanische Fashionmall, die Boo Ende 2000 wiederaufleben ließ. Über die Gründe des Scheiterns von Kasja Leander und Ernst Malmsten gibt es viele Spekulationen: Waren sie zu visionär (Malmsten) oder hatten sie schlicht die „finanzielle Kontrolle verloren“ (Malmsten)? Der Firmensitz lag in der legendären Carnaby Street, die Firmengründer wohnten in den teuersten Vierteln Londons und in der Firma wurde ein Lebensstil gepflegt, der auch als „Champagner-Kaviar-Concorde-Lebensstil“ beschrieben wurde. Vielleicht lag es aber auch daran, daß die Internetnutzer das Netz eher zum preiswerten Einkauf nutzen, wie Firmen wie Priceline zu bestätigen scheinen, und ein Umfeld, das sie begeistert lieber in der realen Welt suchen.

Beitragsbild: Screenshot der Neuauflage der Seite aus dem Jahr 2001