Netslaves

Computersklaven, die Arbeiterklasse der New Economy.

Der aus den USA nach Europa herüberschwappende Internet-Hype versprach auch hierzulande Tausende neuer Arbeitsplätze mit der Möglichkeit bei kreativer Tätigkeit schnell reich zu werden oder über Aktienoptionen mit spätestens Mitte 30 in den Ruhestand gehen zu können. Die Wirklichkeit sieht leider anders aus. Bill Lessard und Steve Baldwin beschreiben in einem Buch mit dem Titel „Computersklaven“ den Arbeitsalltag all derer, die in fröhlicher Selbstausbeutung schuften wie verrückt, es aber trotzdem niemals zum Millionär bringen werden und die sie „Computersklaven“ nennen. Darunter sind Selbständige, die jedem Auftrag hinterherlaufen müssen, genauso wie desillusionierte Weltverbesserer, die in Großunternehmen als Rädchen im Getriebe enden und an überflüssiger Software arbeiten. Sämtliche Namen in diesem Buch sind verändert, können aber von Insidern unschwer realen Firmen und Personen zugeordnet werden. Auch in Deutschland hat sich ein Arbeitsmarkt gebildet, in dem man im Alter von 35 Jahren schon zum alten Eisen gehört, da man nicht mehr in der Lage oder willens ist, 80 und mehr Stunden wöchentlich zu arbeiten. Die Firma wird zur Ersatzfamilie, der flexible Mensch der „New Economy“ ist selbstredend bereit, seinen Feierabend bis zum St.-Nimmerleins-Tag hinauszuschieben, wenn ein aktuelles Projekt es verlangt, und natürlich wird auch der Wohnort den Wünschen des Arbeitgebers entsprechend gewählt. So antiquierte Institutionen wie Gewerkschaften stören da nur. Doch mit dem Abflauen der Konjunktur der „New Economy“ machen sich inzwischen auch Web-Designer und Programmierer so ihre Gedanken über akzeptable Arbeitsbedingungen. Wie man hört, haben die Angestellten des Vorzeigeunternehmens Amazon Ende 2000 über die Gründung eines Betriebsrates nachgedacht, als der Aktienkurs der Firma rapide sank und der virtuelle Wert der Optionsscheine niemanden mehr über untertarifliche Stundenlöhne hinwegtröstete.