Michael und Heiko Zeutschner

Deutsche Unternehmer, etablierten das erste Online-Kaufhaus Deutschlands.

Auch im Internet können profitable Geschäfte geführt werden, was die Brüder Michael und Heiko Zeutschner beweisen. Während Unternehmen wie Amazon auch sechs Jahre nach ihrer Gründung immer noch auf schwarze Zahlen warten, ist das Internet-Kaufhaus „Netzmarkt“ der beiden Brüder seit seiner Gründung 1995 profitabel. Michael (Jahrgang 1967) und Heiko (Jahrgang 1963) hatten Theaterwissenschaft und Soziologie (Heiko) sowie Englische Philologie und Geschichte (Michael) studiert und betrieben ein Journalistenbüro in Erlangen. Sie wollten ein eigenes Projekt auf die Beine stellen, doch da ihnen die Herausgabe einer gedruckten Zeitung zu kostspielig erschien, entschlossen sie sich, etwas im Internet zu machen. Durch ihre Arbeiten zum Themenbereich EDV und Multimedia hatten sie auch von frühen Versuchen in den USA gehört, Waren mittels E-Mail zu verkaufen und sie beschlossen, etwas Ähnliches im World Wide Web umzusetzen. Mit einem Startkapital von 10.000 DM, einem Geschenk ihrer Mutter zum Studienabschluß, gründeten sie das Internet-Kaufhaus „Netzmarkt“. Das heißt, sie richteten einen Web-Server ein, auf dem Interessenten ihr Angebot zur Verfügung stellen konnten. Der Zugriff im World Wide Web erfolgte über eine Web-Seite, die in ihrer Gestaltung einem realen Kaufhaus mit verschiedenen Stockwerken nachempfunden war. Bei der Auswahl ihrer „Mieter“ achteten die Brüder Zeutschner streng darauf, daß die Bestellungen zuverlässig ausgeführt wurden. Auch wurde vom Anfang an das Kundenverhalten genauestens analysiert, was die Unternehmer als einen wesentlichen Baustein ihres Erfolgs bezeichnen. Im ersten Monat wurde die Seite bereits 6000 mal aufgerufen und nach sechs Monaten war das Geschäft so erfolgreich, daß Heiko und Michael Zeutschner ihre journalistische Tätigkeit an den Nagel hängen mußten. Inzwischen werden fünf Millionen Produkte angeboten und Unternehmen wie der Computerhersteller „Dell“, die Firma „Tchibo“ oder der Internetbuchhändler „BOL“ gehören zu den Anbietern im „Netzmarkt“. Seit einiger Zeit hat „Netzmarkt“ auch eine Dependance in Bangalore, Indien. Dies war nötig geworden, da dringend benötigte Fachkräfte für die Softwareentwicklung in Deutschland nicht zu finden waren, aber für geeignete Bewerber aus Indien keine Arbeitserlaubnis zu bekommen war.

Beitragsbild: Screenshot des „Netzmarkt“ 1999

Susanne Westphal

Deutsche Unternehmerin, „Preiswärter Online“.

Das Internet eröffnete dem Unternehmen Susanne Westphals völlig neue Möglichkeiten. Sie hatte Anfang 1994 in München die Firma „Preiswärter“ gegründet, eine Agentur, welche die günstigsten Preise für gesuchte Waren ermittelt. Susanne Westphal wurde am 14.08. 1970 in Mühldorf, Bayern, geboren. Mit dem Computer begann sie sich bereits im Alter von zwölf Jahren zu beschäftigen, als sie mit einem „Commodore 64“ zunächst spielte und wenig später die Programmiersprache „Basic“ lernte, wodurch ihr möglich wurde, selbst kleine Frage- und Antwort-Spiele zu programmieren. Sie studierte Betriebswirtschaftslehre in Frankreich und Deutschland, beendete das Studium jedoch nicht, sondern begann im Bereich Unternehmenskommunikation und Marketing zu arbeiten. Schon früh nutzte sie „Datex-J“ der Telekom zur Abwicklung von Bankgeschäften und zum Chat. Auch ihre Preisagentur war mit einem redaktionellen Beitrag in dem System präsent. 1996 ließ sie die Internet-Adresse „preis.de“ registrieren und begann das Geschäft auch über das Netz abzuwickeln. So wurde sie bald zur Galionsfigur und zum „Weiblichen Gründervorbild“ der „New Economy“ hochgejubelt, die bewies, „daß auch eine Frau, die zwei Kinder versorgt, ein Unternehmen aufbauen kann“, wie die „Wirtschaftswoche“ schrieb, auf deren Liste der „Top 100 der New Economy“ sie im Jahr 2000 auftauchte. Sogar auf einem Titel des Magazins „Der Spiegel“ war sie abgebildet. Ihr Unternehmen hat Susanne Westphal allerdings im Januar 2001 verkauft, denn ihr Konzept war „durch die kurzfristige Bereicherungsgier von Investoren“ zerstört worden. Inzwischen arbeitet sie bei dem Telekommunikationsunternehmen „group 3G“ in München. Ihre Freizeit verbringt sie am liebsten mit ihren zwei Kindern und ihrem Lebensgefährten. Sie liest gern und viel und hat auch zwei Bücher („Die erfolgreiche Existenzgründung“ und „Das ultimative Schnäppchenbuch“) veröffentlicht.

Webvan

Amerikanischer Lebensmittelhandel im Internet.

„Werden die Leute Lebensmittel im Internet einkaufen? Jedenfalls nicht bei Webvan!“, so spottete das amerikanische Fachblatt „The Industry Standard“ über das Anfang Juli 2001 bankrott gegangene Unternehmen „Webvan“. Die Firma war 1996 gegründet worden und hatte den Internet-Wahn auf die Spitze getrieben, indem es während seines Bestehens eine Milliarde Dollar verpulverte. Bereits die Firmengründung war mit 400 Millionen Dollar angesehener Risikokapitalgeber finanziert worden. Gründer war Louis Border, der sich in den USA bereits mit der Buchhandelskette „Border Bookstores“ sowie einem Beratungs- und einem Investmentunternehmen einen Namen gemacht hatte. „Webvan“ setzte, im Gegensatz zu Peapod, von Anfang an nicht auf bestehende Einzelhandelsgeschäfte, sondern errichtete ein automatisiertes Auslieferungslager. Dort wurden die Waren verpackt, an Zwischenlager geliefert, um danach mit Kleinlastwagen zu den Kunden gebracht zu werden, wobei es allerdings häufig Terminschwierigkeiten gab. Hinzu kam, daß viele gewünschte Waren nicht angeboten wurden und „Webvan“ dadurch potentielle Käufer vergraulte. Im Aufsichtsrat des 1999 an die Börse gegangenen Unternehmens, das nach dem Motto „Umsatz um jeden Preis“ geführt wurde, saßen zum Beispiel der Chef von ßßß Yahoo und James Barksdale, der ehemalige Präsident der Firma Netscape. Dabei nahm man es offenbar als ganz natürlich hin, daß die Firma bei jedem Dollar, die sie umsetzte, einen Verlust von 43 Cents machte. Es war daher nur eine Frage der Zeit, daß dem Unternehmen das Kapital ausging. Die Geschäftsführung von „Webvan“ verkündete noch am Tag der Schließung der Firma, sie glaube an ihr grandioses Konzept und stellte fest, daß „Webvan“ seiner Zeit nur einige Jahre voraus gewesen sei. Louis Borders hatte die Firma bereits im Februar 2001 verlassen und seinen Aktienanteil im Wert von 2,7 Millionen Dollar verkauft. Man munkelt, er sei der anonyme Spender, der den 2000 ehemaligen Arbeitern von „Webvan“ eine Abfindung von jeweils 900 Dollar zukommen ließ.

Beitragsbild: Screenshot der Webseite 2001

Webmiles

Deutsches Unternehmen im World Wide Web.

Was in den 60-er und 70-er Jahren als Rabattmarken populär war, feiert in Zeiten des E-Commerce seine Auferstehung. Natürlich sagt man dazu jetzt neudeutsch, in Anlehnung an Rabattsysteme von Fluggesellschaften, „Webmiles“. Das Geschäftsmodell wird als ein „Online Prämiensystem für incentivierungsbezogene Kundenbindung und Kundengewinnung“ beschrieben. Mit anderen Worten: Wer bei einer der an dem System beteiligten Firmen etwas kauft, bekommt eine Belohnung, damit er wiederkommt. Diese Belohnung wird in Form von „Webmiles“ vergeben, die dann in verschiedene Prämien umgetauscht werden können. Eine Webmile hat einen Wert von 0,03 Euro. Die Prämien reichen vom Kugelschreiber für 250 bis zu einer Insel an der Ostküste Kanadas für eine Million Bonuspunkte. Die Punkte können jedoch nicht nur beim Kauf bei einem der angeschlossenen Unternehmen verdient werden. Wer sich bereit erklärt, Werbe-E-Mails zu empfangen, an Umfragen teilzunehmen oder Reklame per SMS an sein Mobiltelefon schicken zu lassen, wird ebenfalls belohnt. Gewinn möchte „Webmiles“ mit Provisionen der beteiligten Firmen machen. Die Geschäftsidee stammt von der Vorzeigeunternehmerin Loretta Würtenberger und ihren Freunden Patrick Boos und Dominik von Ribbentrop, die im April 1999 die Firma „Webmiles“ gründeten. Loretta Würtenberger hatte ihr Jurastudium in sechs Semestern absolviert, promoviert und wurde 1998, im Alter von 25 Jahren, Deutschlands jüngste Strafrichterin. Diese Tätigkeit gab sie jedoch nach einem Jahr auf und begann danach als Rechtsanwältin für Internet- und Wettbewerbsrecht in einer Münchener Kanzlei zu arbeiten. Erfahrungen als Unternehmerin hatte sie schon während ihrer Ausbildung gesammelt, von 1992 bis 1994 betrieb sie eine Textilimportfirma. Der 1967 in Hamburg geborene Patrick Boos hatte Betriebswirtschaft studiert und war vor der Firmengründung zuletzt in einer leitenden Position beim Fernsehsender SAT 1 tätig. Dominik von Ribbentrop, der 1963 in Wiesbaden geboren wurde, hatte nach einer Banklehre in England und Frankreich studiert. Danach arbeitete er als Firmenkundenberater und Investment-Manager. Das Firmenkonzept der drei ging auf. Im Jahr 2000 hatte „Webmiles“ schon über 500 000 Nutzer, und das Unternehmen konnte in Europa expandieren. Allerdings mußten die Ableger in Holland und Schweden Ende 2000 wieder geschlossen werden. In diesem Jahr erwarb auch die Firma Bertelsmann einen 70-prozentigen Anteil an der Firma. Es heißt, ohne diese Beteiligung wäre der Bestand von „Webmiles“ in Gefahr gewesen. Loretta Würtenberger hat sich mittlerweile aus der Geschäftsführung des Unternehmens zurückgezogen, sie ist inzwischen als Professorin für Betriebswirtschaftslehre tätig. Der Firma „Webmiles“ steht sie jedoch weiterhin als Beraterin zur Seite. Boos und von Ribbentrop sind nach wie vor in ihrem Unternehmen engagiert.

Beitragsbild: Screenshot der Seite 1999

Virtual Vineyards

Erster Weinhändler im Internet.

Trotz diverser Schwierigkeiten mit den amerikanischen Gesetzen (in einigen Staaten ist der Direktverkauf von Alkohol verboten), verlief die Entwicklung des virtuellen Weinbergs, wie die deutsche Übersetzung des Namens lautet, positiv. Das Unternehmen wurde 1994 von dem in Amerika bekannten Weinspezialisten und Kellermeister Peter Granoff und seinem Schwager, Robert Olson, einem Elektroingenieur, der zuvor bei „Hewlett Packard“ und „Silicon Graphics“ gearbeitet hatte, gegründet. „Virtual Vineyards“ ging im Januar 1995 vom Schlafzimmer Robert Olsons aus online. Es zeichnete sich durch eine Auswahl exquisiter Weine und eine kompetente Beratung der Kunden aus. Auch wurden zum Wein passende Spezialitäten angeboten. Bemerkenswert war außerdem, daß eine permanente Inventur stattfand, so daß die Kunden stets darüber informiert waren, ob ein von ihnen gewünschter Wein vorrätig war. Die Firma hatte erkannt, daß im Internet ohne entsprechende Werbung überhaupt nichts geht, und so wurden alle Gewinne in das Marketing investiert. Der Niedergang von „Virtual Vineyards“ begann 1999 während des großen Hypes um die „Dot.coms“, wie die Internet-Unternehmen genannt werden. Die Firma kaufte die Domain „wine.com“ von einem Glücksritter für drei Millionen Dollar. Doch die Kosten für die Kundengewinnung wurden nicht geringer, und das Unternehmen fusionierte mit der Firma „WineShopper.com“, die ebenfalls einen Weinhandel im World Wide Web betrieb. Dies führte jedoch auch nicht zum Erfolg, denn das neue Unternehmen unterhielt weiterhin nicht nur zwei unabhängige Web-Seiten, sondern zwei unabhängige Organisationen, was die Kosten weiter in die Höhe trieb. „Wine.com“ existiert noch, doch wurde der Gründer Peter Granoff ausgebootet, und auch andere Weinexperten wurden entlassen.

Beitragsbild: Screenshot der Webseite Wine.com 2000

Thehungersite.com

Spendensammlung im World Wide Web.

Das World Wide Web wirkte nach dem Boom der „New Economy“ teilweise wie ein Sammelbecken von Glücksrittern und Geschäftemachern. Daß es auch etwas anderes gibt, beweist „Thehungersite.com“. Auf dieser ersten „Klicken zum Spenden“-Seite, die 1999 ins Netz gestellt wurde, kann man durch Klicken auf einen Button veranlassen, daß ein halber Cent an das Welthungerprogramm der UNO gespendet wird. Auf diese Weise konnten im Jahr 2000 den Ärmsten dieser Welt über 9000 Tonnen Lebensmittel zur Verfügung gestellt werden. Betrieben wird die Seite von dem Unternehmen „Greatergood.com“. Die Firma wurde 1999 von vier Managern aus dem Bereich der „New Economy“ gegründet. Besucher der Seite können bei verschiedenen Unternehmen online einkaufen, wobei ein bestimmter Prozentsatz des Preises der gekauften Ware einem guten Zweck zugeführt wird. Zu den beteiligten Firmen gehören zum Beispiel der Internet-Buchhändler Amazon, der Versandhandel „Lands End“ und der Computerhersteller „Dell“. Neben diesen Einkaufsmöglichkeiten betreibt „Greatergood“ weitere Seiten, auf denen per Mausklick gespendet werden kann. Dabei geht es um die Brustkrebsvorsorge, die Hilfe für an AIDS erkrankte Kinder, den Schutz des Regenwaldes und Hilfe für die Opfer von Landminen.

Space2go

Deutsches Unternehmen des „M-Commerce“.

Das Internet bietet die Möglichkeit, rund um die Uhr auf das gesamte Wissen der Menschheit zuzugreifen, wie es so schön heißt. Die Daten vom eigenen PC von unterwegs aus aufzurufen, war jedoch nicht so einfach. Der Informatiker Matthias Hirschfeld, Jahrgang 1959 und der vier Jahre jüngere Wirtschaftsingenieur Christian Huthmacher haben 1999 eine Firma gegründet, die hier Abhilfe schafft. Ihr Unternehmen „Space2go“, lautmalerisch „Space to go“ („Platz zum Mitnehmen“), bietet die Möglichkeit, Daten auf ihrem Rechner zu hinterlegen und diese dann mit den unterschiedlichsten Geräten abzurufen. Im „Mobile Office“ können Adressen, E-Mails, Terminkalender, Bilder, Schriftstücke und anderes untergebracht werden und dann mit WAP-fähigen Geräten angerufen werden. (WAP ist das „Wireless Application Protocol“, mit dem Daten auf unterschiedlichste Geräte übertragen werden können.) Ein unschätzbarer Vorteil für alle im Außendienst Tätigen. Matthias Hirschfeld und Christian Huthmacher gewannen mit ihrer Geschäftsidee den Gründerwettbewerb „StartUp“ im Jahr 2000 und das Magazin „Time“ zählte ihr Unternehmen im selben Jahr zu „Europes hottest Tech Firms.“

Masayoshi Son

Japanischer Unternehmer, Gründer der Holding-Gesellschaft Softbank.

Während seiner Kindheit war Masayoshi Son, als Angehöriger der koreanischen Minderheit, ein Außenseiter in der streng hierarchisch gegliederten japanischen Gesellschaft. Damals beschloß er, es den arroganten Japanern eines Tages zu zeigen. Heute ist er, dank seiner Beteiligung an zahlreichen Internet-Unternehmen, einer der reichsten Männer der Welt, dessen Firma etwa 7 Prozent des Internet kontrolliert. Sons Karriere ist beispielhaft. Im Alter von 16 Jahren ging er in die USA und studierte Wirtschaftswissenschaften an der Universität Berkeley. Schon während seines Studiums betätigte er sich als Unternehmer, indem er Videospiele aus Japan importierte und an seine Kommilitonen verkaufte. Er entwickelte einen kleinen tragbaren Übersetzungscomputer, den er an die Firma „Sharp“ verkaufte, wo das Gerät zur Grundlage des „Sharp Organizer“ wurde. Außerdem gründete Son eine Computerfirma namens „Unison“. 1981 ging er nach Japan zurück, wo er die Firma „Softbank“ gründete. Das Unternehmen betätigte sich zunächst als Softwarehändler, wobei Son so klug war, sich die Alleinvertriebsrechte für die Produkte von Firmen wie Microsoft zu sichern. Das Geschäft florierte, 1988 wurde die „Softbank of America“ gegründet, und 1994 entstand die Beteiligungsgesellschaft. Seither hat Masayoshi Son sich an zahlreichen Unternehmen beteiligt. Spektakulär war die Beteiligung an dem Web-Katalog ßßß Yahoo im Jahr 1996. Bei einem Pizzaessen sicherte sich Son für knapp 100 Millionen Dollar ein Drittel des Unternehmens, das damals gerade 17 Angestellte hatte. Zwischenzeitlich hatte diese Beteiligung einen Wert von 20 Milliarden Dollar. Allerdings ging die Bereinigung der Werte der „New Economy“ nicht spurlos an der „Softbank“ vorbei: Das Unternehmen verlor Im Jahr 2000 zwei Drittel seines Wertes. Doch Masayoshi Son hält weiter an seinem Ziel fest „die Nummer Eins der digitalen Zukunft in Japan“ zu werden.

Beitragsbild: Von Masaru Kamikura from Japan – iPhone 3G 孫正義 谷原章介, CC BY 2.0,

Ron Sommer

Deutscher Manager, Chef der ßßß Telekom.

Als die Telekom im November 1996, begleitet von einer 900 Millionen Mark teuren Werbekampagne an die Börse ging und dabei über 20 Milliarden Mark einsammelte, wurde Ron Sommer der Held der „New Economy“. Zuvor war er noch als Buhmann der Postbenutzer verschrien, als er Anfang des Jahres eine neue Tarifstruktur eingeführt und dadurch die Telefongespräche verteuert hatte. Sommer hatte die Führung der Telekom im Mai 1995 übernommen. Er sollte die ehemalige Behörde aufpeppen und an die Börse bringen. Inzwischen (Mitte 2001) ist der Manager jedoch in die Schußlinie geraten, man wirft ihm vor, Immobilien der Telekom zu hoch bewertet und damit den Wert des Unternehmens unrealistisch hoch angesetzt zu haben. Ron Sommer wurde 1949 als Sohn einer Ungarin und eines Russen in Haifa, Israel, geboren. Er wuchs in Wien auf, studierte Mathematik an der dortigen Universität und promovierte bereits 1971 im Alter von 21 Jahren. Er begann seine Karriere bei der Verbundgesellschaft Wien, wo er durch seine überragenden verkäuferischen Fähigkeiten auffiel. 1973 wechselte er zu einer kleinen amerikanischen Computerfirma, die 1974 vom deutschen Nixdorf-Konzern übernommen wurde. Sommer ging zu Nixdorf nach Paderborn und leitete dann für zwei Jahre die französiche Niederlassung der Firma. 1980 kam er zu Sony Deutschland, wo für ihn eigens die Position des Europa-Präsidenten geschaffen wurde. Schließlich wechselte er 1995 zur Telekom. Ron Sommer gilt als äußerst diszipliniert und als Perfektionist. Allerdings sagt man ihm auch nach, daß er eigene Fehler gern seinen Mitarbeitern anlastet. Der Workaholic, der sogar im Urlaub auf der Fahrt im Skilift etwas erledigen kann, bringt es jedoch fertig, jeden Tag die Zeit zwischen 20 und 22 Uhr mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen zu verbringen. Das PR-Genie und „Wunderkind“, wie ihn das amerikanische Magazin „Newsweek“ nannte, wird als Manager mit Showmaster-Format beschrieben, der auf der Hauptversammlung der Telekom im Jahr 2000 sogar Autogramme geben mußte. Für seine rhetorischen Fähigkeiten erhielt Sommer, der auch fließend Englisch und Französisch spricht, 1999 den Cicero Rednerpreis vom „Verlag für die deutsche Wirtschaft“, der mit diesem Preis die Redekultur fördern möchte. Ein Jahr zuvor war Sommer vom „Verein zur Wahrung der deutschen Sprache“ für „Herausragende Fehlleistungen im Umgang mit der deutschen Sprache“ der Titel des „Sprachpanscher des Jahres“ verliehen worden, da die Telekom mit Ausdrücken wie „Moonshine-Tarif“, „Call-Center“ oder „Free Call“ die Verbreitung des Denglisch fördere und eine pseudokosmopolitische Ausdrucksweise an den Tag lege.

Beitragsbild: Von RobinX-de – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0

Silicon Valley

Landstrich in Kalifornien, Synonym für den Internet-Boom.

Wer der eigentliche Vater oder Initiator der Bewegung war, die schließlich zu einer ungeheuren Ansammlung von High-Tech-Unternehmen führte, die inzwischen unter der Bezeichnung „Silicon Valley“ weltbekannt ist, kann nicht genau bestimmt werden. Einerseits heißt es, Lee de Forest habe mit seiner Arbeit die Initialzündung für die spätere Entwicklung des Tales gegeben, andererseits hat ßßß Frederick Terman von der Stanford Universität die Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft gefördert. Sicher ist, daß es der 1986 im Alter von 63 Jahren gestorbene Journalist Don Hoefler war, der diese Bezeichnung populär machte, als er sie 1971 als Überschrift für eine Artikelserie über die Halbleiterindustrie, im damals noch Santa Clara County genannten Gebiet verwendete. Dieses Tal, das auch unter dem Beinamen „Valley of the hearts delight“ (Tal der Herzensfreude) bekannt war, liegt südlich von San Franzisko. In diesem Bereich befinden sich die Orte Palo Alto, Mountain View, Cupertino, Santa Clara und San Jose. Der etwa 50 Kilometer lange und 15 Kilometer breite Landstrich war vor allem ein Obstanbaugebiet, in dem Pflaumen, Aprikosen und Kirschen wuchsen. 1891 wurde in Palo Alto, von dem Eisenbahnmagnaten und Senator Leland Stanford die Stanford Universität gegründet, die später eine wesentliche Rolle bei der Entwicklung der Gegend zum High-Tech Standort spielen sollte. Zu der Universität gehörten auch über 3000 Hektar Land, die nicht veräußert werden durften. 1911 – 1913 entwickelten Lee de Forest und seine Mitarbeiter im Forschungslabor der Firma Federal Telegraph Company in Palo Alto den ersten Röhrenverstärker, was als Beginn des High-Tech-Zeitalters im Silicon Valley angesehen wird. Lee de Forest beschäftigte sich unter anderem mit drahtloser Telegrafie und bezeichnete sich selbst, so der Titel seiner Autobiografie, als „Vater des Radios“. Er wurde auch durch eine Fehleinschätzung von 1926 bekannt. Damals sagte er: „Auf das Fernsehen sollten wir keine Träume vergeuden, weil es sich einfach nicht finanzieren läßt.“ Die Entwicklung des Technologie-Standortes kam richtig in Gang, als 1950 von Frederick Terman die Initiative ausging, universitätseigenes Land an Firmen zu verpachten, um damit finanzielle Schwierigkeiten der Hochschule zu lösen und den Austausch zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zu verbessern. Es wurde ein Industriepark eingerichtet, dessen Mitglieder eng mit der Universität zusammenarbeiteten. Die erste Firma war „Varian Associates“, ein Unternehmen, das Vakuumröhren für Radaranlagen von Flugzeugen herstellte. Weitere Firmen waren „Kodak“, „General Electric“ und „Hewlett Packard“. Schon in den 60-er Jahren war der Großteil der amerikanischen Halbleiterhersteller im „Silicon Valley“ ansässig. Doch der eigentliche Boom begann mit der industriellen Verwertung des Mikroprozessors der Firma „Intel“ im Jahr 1972. Inzwischen ist das „Silicon Valley“ zum Eldorado der High-Tech-Firmen aus aller Welt geworden, das nicht nur eine beispiellose Ballung von Computer- und Internetunternehmen, sondern auch eine enorme Dichte an Millionären aufweist. Allerdings sind die Einkommen der Arbeiter und Angestellten im „Silcon Valley“ in den letzten Jahren gesunken, und aufgrund der hohen Immobilienpreise sind sogar Menschen mit durchschnittlichem Einkommen von Obdachlosgkeit bedroht. Ein weiteres Problem ist die kalifornische Energiekrise: Nach der Privatisierung der Energieversorgung kommt es dort immer wieder zu Stromabschaltungen, von denen auch das „Silicon Valley“ nicht verschont bleibt. Ein weiters Ärgernis sind die Dauerstaus auf den das Tal durchziehenden Hauptverkehrsadern, dem Highway 101 und 280.

Beitragsbild: Lageplan des Silicon Valley