Andy Müller-Maguhn

Deutscher Computerexperte und europäischer Vertreter in der ICANN.

Im Oktober 2000 veröffentlichte die eher konservative Frankfurter Allgemeine Zeitung die „Regierungserklärung“ des als anarchistischen Hacker verschrienen Andy Müller Maguhn. Der war gerade als Vertreter Europas in das Direktorium der ICANN gewählt worden und legte hier die Beweggründe für sein Engagement dar. In seinem Artikel zog er gegen die wachsende Kommerzialisierung und Regulierung des Internet zu Felde und sprach sich für die Bewahrung des Netzes als „öffentlichen Kulturraum“ aus. Da er seine Gedanken mit den Worten „Frisch zementierte Betongefängnisse in die Luft zu sprengen, war schon irgendwie okay, aber ins Internet zu ziehen einfach der gründlichere Ansatz“ anschaulich zu machen suchte und auch ein Hinweis auf die RAF-Terroristen, deren Fahndungsplakat er sich im Alter von elf Jahren besorgte, da auch sie, genau wie Andy, die Krawattenträger nicht leiden konnten, wurde er von den Gazetten der „New Economy“ prompt als „ehemaliger RAF-Sympathisant“ geoutet. Ende 2000 wurde er für den „Bremsklotz 2000“ nominiert, „da er nichts, aber auch gar nichts“ für die New Economy in Europa getan habe. Das liegt dem 1971 in Hamburg geborenen Andy Müller-Maguhn auch fern, denn er kommt aus der Tradition der Nutzer, die das Netz als einen Raum begreifen, in dem fast alles erlaubt ist, sofern es keinen anderen schädigt und denen der freie Informationsfluß über alles geht. Daher lehnt er auch Bestrebungen ab, die etwa pornografische oder faschistische Inhalte im Netz verbieten wollen. Solche Angebote sind für ihn klare Anzeichen gesellschaftlicher Probleme, denen man durch Verbote keineswegs Herr werden kann, sondern mit denen man sich auseinandersetzen müsse. Müller-Maguhn hat in den 80-er Jahren als Schüler erste Bekanntschaft mit der Computertechnik gemacht und sich die Kenntnisse gemeinsam mit anderen selbst angeeignet. Er entdeckte die Mailboxsysteme und das Usenet. 1986 stieß er zum Chaos Computer Club, dessen Sprecher er seit 1990 ist. Nach dem Abitur absolvierte er das Grundstudium der Nachrichtentechnik und ist zur Zeit als Student der Informationswissenschaft an der Freien Universität Berlin eingeschrieben, wobei er betont, daß ihn die Auswirkungen der neuen Technologien auf die Gesellschaft am meisten beschäftigen. Seinen Lebensunterhalt verdient er als Journalist (z. B. betreibt er ein „Datenreisebüro“) und gefragter Spezialist in Sachen Datensicherheit. Sein Amt bei der ICANN will er dafür nutzen, die Interessen der individuellen Netznutzer zu artikulieren, die Entwicklungen kritisch zu beobachten und die Entscheidungsprozesse der ICANN transparent zu machen.