First Virtual

Eines der ersten Bezahlsysteme im Internet.

Die Gründung des Unternehmens „First Virtual Holdings“ geht auf die zufällige Begegnung zweier Männer auf dem Flughafen von Los Angeles zurück. Der für die Unterhaltungsindustrie tätige ßßß Lee Stein und der Internetveteran ßßß Einar Stefferud warteten auf ihre Maschine. Stefferud beschäftigte sich mit einem HP-LX-95 Computer, einem der ersten Geräte zum drahtlosen Internetzugang. Der technikbegeisterte Lee Stein wurde darauf aufmerksam und sie kamen ins Gespräch. Der Zufall wollte es, daß beide denselben Flug gebucht hatten und so konnten sie während der folgenden fünfeinhalb Stunden ihr Gespräch fortsetzen. Sie kamen auf die Idee, ein Bezahlsystem für das Internet zu entwickeln, das zwar den E-Commece fördern, aber auch den freien Zugriff auf Informationen gewährleisten sollte. Gemeinsam mit den Spezialisten für E-Mail-Software Nathaniel Borenstein und Marshall Rose wurde die Idee realisiert. Die Unternehmer schufen ein System, das ohne aufwendige Verschlüsselungsverfahren und Spezialsoftware auskam, dabei war es von jedermann leicht zu handhaben. Es sah vor, daß die zu gründende Firma als Vermittler zwischen Kunde und Verkäufer fungieren sollte. Der Kunde übermittelte die Nummer seiner Kreditkarte oder seines Bankkontos auf einem „sicheren“ Weg, also per Post oder Telefon, an First Virtual, die ihm im Gegenzug ein Kennwort, den „VirtualPIN“, übersandte. Das Prinzip sah weiterhin vor, daß der Kunde zunächst die Ware bekam und dann entscheiden konnte, ob er sie kaufen wollte. Um zu bezahlen, mußte der Kunde dem Verkäufer sein Kennwort mitteilen, der VirtualPIN wurde vom Verkäufer mit dem gewünschten Geldbetrag an First Virtual weitergeleitet, von wo er eine Bestätigung darüber erhielt, ob das Kennwort korrekt bei First Virtual registriert war. Bevor der Betrag vom Konto des Käufers abgebucht wurde, wurde dieser noch einmal gefragt, ob Ware und Betrag richtig seien. So sollte ausgeschlossen werden, daß Geldbeträge unrechtmäßig abgebucht wurden. Bei einem Mißbrauch des Systems hatte das Unternehmen das Recht, die jeweiligen Käufer oder Verkäufer von dem System auszuschließen. Außerdem bot First Virtual die Möglichkeit, auch Informationen zu verkaufen. Auf einem Rechner der Firma, dem „Info Haus“, wurden Informationen verschiedener Anbieter bereitgestellt. Die Kunden konnten die gewünschten Dateien laden, wobei, wie beim Sharewareprinzip (Software kann erst kostenlos probiert werden, bevor gezahlt wird) nur bei Gefallen bezahlt wurde. Das Unternehmen „First Virtual Holdings“ wurde im März 1994 gegründet und stellte seine Dienstleistung vom Oktober an zur Verfügung. Lee Stein war der Geschäftsführer, während Einar Stefferud als „leitender Visionär“ fungierte. Borenstein war leitender Wissenschaftler und Rose technischer Geschäftsführer. Hinzu kam der in den USA bekannte Bauunternehmer Tawfiq Khoury. Die Firma wurde als „Virtuelles“ oder „Verteiltes Unternehmen“ gegründet, das heißt, es gab keinen zentralen Firmensitz und erst nach 15 Monaten ein offizielles Büro. Die Firmengründer arbeiteten von ihren Wohnorten an der West- und Ostküste der USA aus. Der Zentralrechner stand in Cleveland, Ohio. Großer Erfolg war dem System nicht beschieden. 1996 wurden zwar schon mehr als 4000 Transaktionen pro Woche abgewickelt. Doch es kam zu Problemen mit den beteiligten Unternehmen Visa und Mastercard, und inzwischen vermarktet das Unternehmen keine Zahlungssysteme mehr. Seit 1998 firmiert es unter dem Namen „Message Media“ und beschäftigt sich vor allem mit Lösungen zur Handhabung großer Mengen von E-Mail, zum Beispiel wenn es um die Aussendungen von erlaubten Werbesendungen geht. So kümmert sich Message Media etwa um die Versorgung der 120 Millionen Nutzer von Yahoo mit Werbe-Mails.

Beitragsbild: Screenshot der Seite 1996