Sebastian Schnitzenbaumer

Deutscher Jungunternehmer, Mitglied des W3 Konsortiums.

Die Zeitschrift „Wirtschaftswoche“ rief Sebastian Schnitzenbaumer Ende des Jahres 2000 zu einer der Galionsfiguren des Internet in Deutschland aus, indem sie ihn in ihre Liste der „Top 100 der New Economy“ wählte. Dieses Verdienst hat er der Tatsache zu verdanken, daß er maßgeblich in einer Arbeitsgruppe des „W3 Konsortiums“ mitwirkt, der Organisation, die die Standards für das World Wide Web festlegt. Außerdem wurde er in den Internetbeirat der bayerischen Regierung berufen. Der am 15. 11. 1977 in München geborene Sebastian Schnitzenbaumer, wuchs auf den Seychellen auf. Ursprünglich wollte er Jazz-Musiker werden. Mit 17 Jahren entdeckte er mit dem ausrangierten Computer seines Bruders, den er geschenkt bekommen hatte, das World Wide Web. Er war von den Möglichkeiten fasziniert und gründete mit Freunden eine Firma für Web-Design namens Whoopee. Neben der Gestaltung von Web-Seiten entstand auch ein System für ein Immobilienunternehmen, mit dem über das Netz ermittelt werden konnte, ob eine Wohnung im Bau, fertiggestellt oder bereits verkauft war. Seine zweite Firma, „Stack Overflow“, gründete er im Oktober 1998 gemeinsam mit dem zwei Jahre älteren Malte Wedel. Das Unternehmen, das im August 2000 in „Mozquito Technologies“ umbenannt wurde, beschäftigt sich mit der Entwicklung von Programmen zur Erstellung komplizierter Web-Seiten, wobei die Auszeichungssprache „XHTML“ verwendet wird. („XHTML“ soll „HTML“ ersetzen, Schnitzenbaumer ist Co-Autor eines Standardwerkes darüber.) „Mozquito“ hat eine neue Sprache mit der Bezeichung „FML“ (Forms Markup Language) entwickelt. Sie ermöglicht es, verhältnismäßig einfach interaktive Web-Seiten, wie zum Beispiel anspruchsvolle Formulare, zu erstellen. Aufgrund dieser Entwicklung wurde Sebastian Schnitzenbaumer vom Weltwirtschaftsforum in Davos für seine Verdienste um die Interaktivität im Web als „Technology Pioneer 2001“ ausgezeichnet.

Dave Raggett

Englischer Physiker im „W3 Konsortium“.

Die rasante Entwicklung des World Wide Web ist ohne Standards für die Anzeige der Dokumente nicht vorstellbar. Das „World Wide Web (W3) Konsortium“ entwickelt und veröffentlicht die entsprechenden Standards. Doch die besten Vorschläge nützen nicht viel, wenn die Firmen, welche die Anzeigeprogramme für das World Wide Web, die Browser, herstellen, sich nicht darum kümmern. Dave Ragett gebührt der Verdienst, die beiden Konkurrenten Microsoftft und Netscape 1995 an einen Tisch geholt zu haben, wo sich die Firmen dann auf die gemeinsame Unterstützung zumindest grundlegender Standards einigten. Dave Raggett ist der Autor der Version der Auszeichnungssprache HTML+ und verantwortlich für die darauf folgenden Spezifikationen. Der am 30. Juni 1955 in Chippenham, England, geborene Dave Raggett studierte Physik und Astrophysik in Oxford. Schon während seines Studiums begann er sich mit Computern zu beschäftigen. 1985 bis 1994 arbeitete er bei der Firma „Hewlett-Packard“ in England an Hypertextsystemen zur Darstellung umfangreicher Verkaufsunterlagen auf VGA-Bildschirmen. 1992 suchte er über eine Newsgruppe Gleichgesinnte zum Aufbau eines globalen Hypertextsystems und bekam auch Hinweise auf die Arbeit von Tim Berners-Lee am CERN. Ragett nahm den Kontakt auf, und es kam zur Zusammenarbeit. Seit 1994 beschäftigt er sich nun intensiv mit dem World Wide Web. Ragett entwickelte den Browser „Arena“ zum Demonstrieren der HTML+ Spezifiaktion. Er förderte die Entwicklung von VRML, der Seitenbeschreibungssprache, welche die dreidimensionale Darstellung im Netz ermöglicht, wobei er es war, der den Begriff „VRML“ prägte. Außerdem arbeitet Raggett an Möglichkeiten zur Darstellung mathematischer Formeln im World Wide Web und entwickelte in diesem Zusammenhang den Editor „EzMath“. Weiterhin beschäftigt er sich mit Benutzerschnittstellen, die unabhängig von dem zugrundeliegenden Datenmodell sind und die Darstellung von Web-Inhalten auf unterschiedlichen Geräten, wie Mobiltelefonen, Fernsehgeräten oder Computern erlauben. Ein weiterer Bereich seiner Arbeit sind Systeme zum sprachgesteuerten Zugriff auf das World Wide Web. Dave Ragett ist verheiratet und lebt mit seiner Frau und seinen beiden Kinder in Wiltshire, Westengland. Sein derzeitiger Arbeitgeber, ein Unternehmen, das Systeme für den mobilen Zugriff auf das Internet entwickelt, hat ihn für die Arbeit im „W3 Konsortium“ freigestellt.

Prodigy

Amerikanischer Onlinedienst.

Die Firma „Prodigy“ wurde im Februar 1984 ganz unspektakulär als Gemeinschaftsunternehmen der Firmen IBM Sears und CBS unter dem Namen „TRINTEX“ gegründet. Im September 1988 begann das Unternehmen, das inzwischen unter der Bezeichnung „Prodigy“ firmierte, in fünf amerikanischen Städten ein Pilotprojekt als Onlineservice. 1990 etablierte sich die Firma neben Unternehmen wie AOL und Compuserve als landesweiter Anbieter. Inzwischen ist „Prodigy“ ein Internet-Provider mit 2,5 Millionen Abonnenten. Bekannt wurde die Firma, als Ende 1993 zunächst eine windowsbasierte Software eingeführt wurde und der Online Shopping- sowie der News-Service mit Bildern und Sounds aufgepeppt wurden. Im Januar 1995 bot „Prodigy“ seinen damals knapp einer Millionen Abonnenten als erster Online-Service den Zugriff auf das World Wide Web an, und im Sommer kam die Möglichkeit hinzu, eigene Web-Seiten einzurichten. 1999 machte das Unternehmen erneut von sich reden, als ein zweisprachiges Angebot, Englisch und Spanisch, eingerichtet wurde.

Odd de Presno

Norwegischer Computerspezialist und Autor.

„Es gibt Gegenden auf der Welt, zum Beispiel in Afrika, wo die Menschen sich noch nicht einmal eine Briefmarke leisten können“, weiß Odd de Presno. Trotzdem engagiert er sich in der Organisation „Kidlink“, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Kommunikation der Kinder dieser Welt über das Internet voranzutreiben. Odd de Presno wurde am 18. April 1944 als ältestes von drei Kindern eines Supermaktbesitzers in Arendal, Norwegen, geboren. Er studierte Betriebswirtschaft am Bedriftsøkonomisk Institut in Oslo und belegte während des Studiums auch einen der ersten Computerkurse, die an der Hochschule angeboten wurden. Seine Programmierkenntnisse ermöglichten es ihm, sich 1967 mit einer kleinen Softwarefirma selbständig zu machen. Später arbeitete er bei verschiedenen Datenverarbeitungsunternehmen und beschäftigte sich seit 1973 mit der Netzwerktechnologie. Von 1985 bis 1997 betrieb er ein Bulletin Board mit Shareware. Presno ist Autor zahlreicher Bücher und Artikel zum Thema Computer und Internet. Sein Buch „Online World“, das eine Einführung in das Internet gibt, hat weltweit Beachtung gefunden. Er übersetzte es in die englische Sprache und stellte es im Internet zum Herunterladen zur Verfügung. Das Besondere daran ist, daß er es regelmäßig aktualisiert. „Kidlink“ wurde 1990 ins Leben gerufen, als Presno auf einer Konferenz der „Electronic Networking Association“ eine Online-Konferenz für Kinder aus Kanada, den USA und Norwegen organisiert hatte. Die große Resonanz brachte ihn dazu, die Gründung einer entsprechenden Organisation anzuregen. Inzwischen ist „Kidlink“ als international tätige gemeinnützige Organisation etabliert, an deren Mailinglisten und Chats inzwischen über 175.000 Kinder aus 141 Ländern teilgenommen haben. Odd de Presno, der zum zweiten Mal verheiratet ist und drei Kinder hat, verbringt den größten Teil seiner Freizeit mit Arbeit für Kidlink, unter anderem bemüht er sich darum, in Entwicklungsländern entsprechende Internet-Cafés einzurichten, um auch den Kindern in diesen Teilen der Welt den Zugang zu den Ressourcen des Internet zu ermöglichen.

Pizza Hut

Erster Pizzaservice im Internet.

Was heute selbstverständlich ist, galt 1994 noch als kleine Sensation: Die Möglichkeit, eine Pizza über das World Wide Web zu bestellen. Im August 1994 startete ein Gemeinschaftsunternehmen von „Pizza Hut“ und der Firma für Unix-Systeme „SCO“ das „PizzaNet“. Es erlaubte es, Nutzern des Internet zunächst in der Region um die kalifornische Stadt Santa Cruz ihre Pizza im Netz zu bestellen. An „Electronic Cash“ dachte damals noch niemand, die Pizza wurde bei Lieferung bezahlt, und die größte Herausforderung war der Entwurf einer einfach zu bedienenden grafischen Benutzeroberfläche, die mit dem Browser „Mosaic“ aufzurufen sein sollte. Die Firma „Pizza Hut“ wurde 1958 von zwei Brüdern, den damaligen College-Studenten Frank und Dan Carney in Wichita, Kansas, gegründet. Als Startkapital dienten 600 Dollar, die sie von ihrer Mutter geliehen hatten. Ihre Geschäftsidee war erfolgreich, schon ein Jahr später vergaben sie die Lizenz für ein weiteres Lokal in Topeka, Kansas. 1968 wurde das erste Lokal außerhalb der USA eröffnet, damals gab es bereits 310 Restaurants. Mittlerweile ist Pizza Hut ein Unternehmen mit über 10.000 Lokalen in aller Welt. Die Firma war immer für Superlative gut: 1967 entstand die größte Pizza der Welt mit einem Durchmesser von über 1,80 Metern, 1986 wurde ein Lokal in der Rekordzeit von 39 Stunden erbaut und 1990 wurden in einem 24-stündigen Flug 600 Pizzen an eine US Basis in Somalia geliefert. Die wohl weiteste Lieferung fand 2001 statt, als die internationale Raumstation mit Pizza versorgt wurde. Eine Aktion, die ein Jahr lang gemeinsam mit russischen Spezialisten vorbereitet wurde. Der merkwürdige Firmenname soll übrigens darauf zurückzuführen sein, daß auf dem ersten Firmenschild der Platz für eine längere Bezeichnung fehlte.

Beitragsbild: Screenshot der Webseite 1997

Nicolas Pioch

Französicher Informatiker, Betreiber des Web Museum.

Das Internet ist voll mit mehr oder weniger interessanten Linksammlungen verschiedenster Art. Manche werden berühmt und machen ihre Initatoren reich, wie ßßß Yahoo, andere fristen auf irgendeinem Server ihr Schattendasein und warten auf ihre Entdeckung. Daneben gibt es Seiten, wie die des französischen Informatikers Nicolas Pioch. Von seinem „Web Museum“ aus erreicht man inzwischen Rechner mit über zehn Millionen Dokumenten. Pioch hat diese Sammlung in seiner Freizeit aufgebaut. Er hatte 1993 seinen Abschluß an der renommierten École Nationale Supérieure des Télécommunications in Paris gemacht und war dort als Informatik-Dozent tätig. Im März 1994 begann er nach Feierabend und am Wochenende mit der Einrichtung seines „Louvre“, da er meinte, daß im World Wide Web mehr Kunst präsent sein sollte. Der Name mußte wenig später aus markenrechtlichen Gründen erst in „WebLouvre“ und dann in „Web Museum“ geändert werden. Pioch präsentierte klassische Malerei und Musik sowie eine historische Tour durch Paris und hatte mit seinem Konzept Erfolg. Sein Museum fand nicht nur große Resonanz bei den Web-Surfern, die jene Seite besuchten und entsprechende Beiträge beisteuerten. Das „Web Museum“ wurde darüber hinaus im Mai 1994 mit dem „Best of Web`94 Award“ für die gelungene Kombination unterschiedlicher Medien ausgezeichnet. Ein Jahr später erhielt Pioch für seine Arbeit außerdem einen Preis der BMW-Stiftung.

Beitragsbild: Screenshot des Web-Museum 1999

Pick Point

Deutscher Dienstleister für Internethändler.

Als Trittbrettfahrer des Internet-Boom betätigt sich die Firma „Pick Point“: Das Unternehmen liefert Pakete von Firmen aus, die ihre Waren im World Wide Web feilbieten. Das Besondere daran ist, daß die Sendungen nicht zu den Bestellern nach Hause geliefert werden, sondern zu ausgewählten Geschäften, den „Pick Points“, bei denen die Lieferungen dann abgeholt werden können. Die „Pick Points“ sind Läden mit besonders langen Öffnungszeiten, wie Tankstellen, Videotheken oder Sonnenstudios, wodurch die Kunden unabhängig von Zustell- und Öffnungszeiten der Post werden sollen. Benachrichtigt werden die Empfänger vom Eintreffen des Paketes bei einem zuvor ausgewählten „Pick Point“ per SMS oder E-Mail. Die teilnehmenden Läden erhalten eine kleine Aufwandsentschädigung, das Geschäft wird ihnen allerdings mit der Aussicht auf neue Kunden schmackhaft gemacht. Die Idee stammt von dem damals 28 Jahre alten Unternehmensberater Hartmut Bischofs, der sich darüber ärgerte, daß seine im Internet gemachten Bestellungen immer dann eintrafen, wenn er unterwegs war. Gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder Christoph und drei gleichaltrigen Kollegen wurde „Pick Point“ im Juni 2000 mit Unterstützung des Unternehmens „D.Logistics“ in Darmstadt gegründet. Ein erster Versuch im Rhein Main Gebiet verlief erfolgversprechend, und inzwischen wird das Netz der Pick Points auf die ganze Bundesrepublik ausgedehnt.

Netzpiloten

Deutscher Führer durch das World Wide Web.

Für alle, die sich im Internet nicht recht auskennen, bieten die „Netzpiloten“ Touren durch das Internet an. Das heißt, die Firma hat zu diversen Themen Web-Seiten zusammengestellt, die, gesteuert über eine spezielle Oberfläche, nacheinander aufgerufen werden können und dem interessierten Surfer unter Umständen die Verwendung diverser Suchmaschinen erspart. Die Netzpiloten wurden 1998 von Matthias Dentler und Wolfgang Macht gegründet. Der 1967 in Kyritz geborene Matthias Dentler hatte Wirtschaftswissenschaften studiert und war der Faszination des Internet erlegen, als er während seines Studiums mit dem Browser „Mosaik“ auf die „Library of Congress“ in Washington zugreifen konnte. Wolfgang Macht, der 1966 in Bamberg geboren wurde, hatte nach seinem Magister Atrium in den Fächern Geschichte, Literaturwissenschaften und Jura eine Ausbildung als Journalist absolviert. Mit Computern hatte er sich schon während seiner Schulzeit beschäftigt und das Internet kannte er seit 1992. 1996 begannen die zwei Freunde auf einer Web-Seite die Interentadressen von Gewinnspielen zusammenzutragen, um praktische Erfahrungen mit dem Netz zu sammeln. Das Projekt, unter der Bezeichnung „Gewinnspiele.de“, wurde schon bald zu einem richtigen Geschäft. 1998 starteten sie die weltweit erste Suchmaschine für Gewinnspiele im Internet und 1999 kamen die redaktionell zusammengestellten Touren durch das Netz hinzu. Inzwischen hat das in Hamburg ansässige Unternehmen Zweigstellen in Mailand, Barcelona, Paris und San Francisco und ist mit 7000 redaktionellen Touren der größte automatische Webführer der Welt.

Beitragsbild: Screenshot der Firmenwebseit 2000

Netscape

Amerikanisches Unternehmen

Die Firma wurde 1994 von Marc Andreessen und Jim Clark gegründet, um das von Adreessen mitentwickelte Programm zum Aufrufen von Internetseiten, den Netscape Navigator, zu vermarkten. Der Navigator wurde im Internet zum kostenlosen Download angeboten und erreichte dadurch schnell einen Marktanteil von 75%. Mit dem Börsengang des Unternehmens im Jahre 1995 begann der Wahnsinn der New Economy: Allein die Umsatzerwartung brachte die Anleger dazu, in das Unternehmen zu investieren. Nach dem Microsoft das Internet als Geschäftsfeld entdeckt hatte, kam es zum „Browser-Krieg“ zwischen den beiden Unternehmen. Sie versuchten sich mit der Herausgabe immer neuer Versionen zu übertrumpfen, wobei die Browser, sehr zum Verdruß vieler Entwickler von Web-Seiten, oft unterschiedliche Funktionen boten. Auch die Empfehlungen des W3C (WorldWideWebConsortium) wurden unterschiedlich angenommen. Während dieser Zeit hing in den Geschäftsräumen von Netscape ein gerahmtes Bild das Bill Gates zeigt. Die Mitarbeiter sollten ständig an den Erzfeind erinnert werden. Diese Auseinandersetzung führte schließlich zum Kartellverfahren gegen Microsoft, das aus diesem Kampf allerdings als Sieger hervorging war. 1998 wurde Netscape von AOL übernommen und besteht seitdem als Handelsmarke weiter. Der Marktanteil des Navigators war bei Redaktionsschluß auf ca. 20% gesunken, und selbst Marc Andreessen gibt seinem Programm keine Chance mehr. Berühmt geworden ist Netscape aber auch durch die legendäre Fish Cam, die noch immer unter http://www.netscape.com/fishcam aufgerufen werden kann. Sie war nach der Trojan Room Coffee Machine die zweite Webcam der Geschichte. Zwei Videokameras machen Bilder von einem Aquarium und übertragen diese auf eine Internetseite. Eingerichtet wurde diese Anlage 1995 von Lou Montulli. Zunächst verwendete er ein 300 Liter-Aquarium, das provisorisch von zwei Leuchtstoffröhren beleuchtet wurde, die Montulli vom Schreibtisch eines Kollegen entwendet hatte. 1997 wurde ein noch größeres Aquarium mit einer Original- Beleuchtung angeschafft. Die Fish Cam gehörte mit 90000 täglichen Aufrufen in ihrer Anfangszeit zu den zehn populärsten Webseiten. The Economist nannte sie „In ihrer dreisten Nutzlosigkeit den Samen der Internetrevolution“.

Beitragsbild: Von Netscape Communications Corp. (original icon). Gemeinfrei

Theodor Holm Nelson

Amerikanischer Soziologe,prägte 1965 den Begriff Hypertext.

Theodor Holm (Ted) Nelson hatte schon immer eine besondere Art, die Dinge zu betrachten. Als Fünfjähriger dachte er darüber nach, wie es möglich sein könnte, daß Floristen Blumen per Telefon verkaufen: „Was machen sie mit den Blumen, wie können sie diese durch die Leitung schicken und am anderen Ende wieder zusammensetzen?“ fragte er sich. Als Student war er seiner Zeit weit voraus, schon 1957 predigte er die sexuelle Revolution. Heute sieht er sich in einem Paralleluniversum: Körperlich lebt er in der Welt wie alle anderen Menschen auch, allerdings unterscheidet sich seine Sicht der Dinge erheblich vom Üblichen. In einem im Wired 1995 erschienenen Artikel, der ihn als chaotischen Typen beschreibt, der keines seiner Projekte jemals fertigstellt, fühlt er sich und seine Ideen gründlich mißverstanden. Xanadu ist eine dieser Ideen, ein Hypertextsystem zum Verwalten von Texten. Nelson geht davon aus, daß es ungeheuer viele „parallele Dokumente“ gibt, wie er es nennt. Das heißt, Dokumente enthalten identische Teile. Diese Teile werden miteinander verbunden. Dabei ist es im heutigen Internet nicht möglich, die Verbindungen zurückzuverfolgen, da die Originale zum Beispiel geändert werden, ihren Platz wechseln oder gar durch Löschen ganz verschwinden. Xanadu ist ein System, bei dem alle Dokumente permanente Adressen haben und es zwei Arten von Verbindungen zwischen ihnen gibt: Links und Transclusions. Ein Link ist die Verbindung zwischen zwei unterschiedlichen Dokumenten, etwa einem Text und einer Anmerkung dazu, während eine Transclusion zum Beispiel ein Zitat kennzeichnet. Dabei sollen mehrere Dokumente auf dem Bildschirm dargestellt und die unterschiedlichen Verbindungen auf einen Blick erkennbar sein. Durch die Transclusion sieht Nelson auch das Problem des Urheberrechtes gelöst, bei jedem Download eines derartigen Schriftstückes soll dem Autor des Originals ein kleines Honorar gezahlt werden. Der Begriff Xanadu geht auf einen Text des englischen Dichters Samuel Taylor Coleridge zurück, in dem ein wunderbares Königreich beschrieben wird. Leider liegt die Beschreibung nur unvollendet vor und auch Ted Nelsons Xanadu ist noch nicht fertiggestellt worden. Ted Nelson wurde 1937 als Sohn der Schauspielerin Celeste Holm und des Filmregisseurs Ralph Nelson geboren. Während seines Studiums am Swarthmore College machte er sich ständig Notizen und ärgerte sich darüber, daß die lineare Art des Schreibens es nicht ermöglichte, diese miteinander zu verknüpfen. So begann er, sich mit Hypertextsystemen zu beschäftigen. Als graduierter Student in Harvard entwickelte er bereits ein System zum Schreiben, Speichern und Ausdrucken von Texten. 1965 prägte er in einem Vortrag während eines Kongresses den Begriff Hypertext. 1967 arbeitete er an der Brown Universität gemeinsam mit Andries Van Dam am ersten kommerziellen Hypertextsystem HES und an dem Hyxpertextsystem FRESS – File Retrival and Editing SyStem -. Bereits hier gab es zwei Arten von Links und Texte wurden in mehreren Fenstern gleichzeitig auf dem Bildschirm dargestellt. Zuvor hatte Nelson vergeblich versucht, seinen Auftraggebern begreiflich zu machen, daß ein solches System getrost darauf verzichten könne, Texte später auf Papier auszudrucken. 1970 fing er an, gemeinsam mit jugendlichen Mitgliedern eines Computerclubs auf einem gemieteten Computer das Xanadu System zu entwickeln. Vor der offiziellen Präsentation mußte das Projekt jedoch wegen Geldmangel eingestellt werden. 1973 begann er die Arbeit an einem Buch, das 1974 im Selbstverlag erschien. Das großformatige Werk war von vorn und hinten zu lesen und hatte demzufolge zwei Titel „Computer Lib“ und „Dream Machines“. Es stellte sich als Konglomerat zusammengeklebter, mit der Schreibmaschine geschriebener Texte dar. Der Inhalt reichte von einer Beschreibung des Watergate Skandals bis zu Programmieranleitungen. Für das Projekt Xanadu gründete er 1979 gemeinsam mit einem ehemaligen Mitarbeiter eines Gebrauchtcomputerladens ein Unternehmen. 1988 – 1992 wurde die Entwicklung von Xanadu durch die Firma Autodesk vorangetrieben, führte aber auch nicht zum Erfolg. Noch 1995 versprach Ted Nelson „ Es wird fertig, fragt sich nur in welchem Jahrzehnt.“ „Der hervorstechendste und wahrscheinlich lustigste Infonaut“ (Howard Rheingold) lehrt heute an der Keio Univerität in Japan und ist Gastprofessor für Multimedia an der Universität Southampton. Inzwischen hat er ein weiteres System zur Dokumentenverwaltung vorgestellt ZigZag. Für den größten Fehler der heute gebräuchlichen Software hält er die Simulation von Papier auf dem Bildschirm. Schon die verwendeten Metaphern der heutigen Betriebssysteme seien Unsinn: Er habe jedenfalls noch keinen vertikal stehenden Schreibtisch gesehen auf dem Dokumentenstapel liegen, bei denen das zuunterst liegende Blatt Papier nach oben fliegt, sobald man eine Ecke davon berührt.

Beitragsbild: Von Dgies – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0