Amerikanischer Internetveteran, erster „Content Provider“.
(1947 – 2011)
Es gibt Verleger und Literaturprofessoren, die nicht gut auf Michael Hart zu sprechen sind. Man wirft ihm vor, mit seinem Projekt Gutenberg „Perlen vor die Säue zu werfen“ oder klassische Texte durch Tippfehler zu verhunzen. Das Projekt Gutenberg stellt seit 1971 Texte im Internet zur Verfügung und ist damit der erste echte „Content Provider“. Dabei ist es Michael Harts Ziel, bis zum Ende des Jahres 2001 eine Bibliothek von 10.000 Werken der Weltliteratur ins Internet zu stellen. Im Januar des Jahres 2001 hatte er allerdings erst 3200 Bücher digitalisiert. Darunter das komplette Werk William Shakespeares, die Bibel oder das „CIA Worlds Fact Book“. Unterstützt wird Hart von inzwischen 1000 Freiwilligen, die überall auf der Welt Texte eingeben, sei es mit Hilfe moderner Scanner oder von Hand, wie 50 russische Akademiker, die innerhalb eines halben Jahres ein 45 Millionen Zeichen umfassendes Wörterbuch digitalisierten. (Ein Gönner zahlte ihnen dafür 5000 Dollar.) Dabei werden die Texte nach Gusto ausgewählt und fertiggestellt. Sie liegen im einfachen ASCII-Format vor, um sicherzustellen, daß sie möglichst überall auf der Welt angezeigt werden können. Die Idee zu dem Projekt kam ihm 1971, als er sich häufig im „Materials Research Laboratory“ der Universität Illinois herumtrieb, an dem sein bester Freund und der beste Freund seines Bruders an einem Großrechner arbeiteten. Michael Hart meinte, nicht das Zeug zu einem guten Programmierer zu haben, aber er wollte im gerade entstehenden Internet etwas auf die Beine stellen, das auch noch nach 100 Jahren bestehen würde. Der außergewöhnlich begabte Michael Hart wurde am 28. März 1947 in Tacoma, Washingtion State, als Sohn eines Professoren-Ehepaars geboren. Seine Mutter war Mathematikern und sein Vater Literaturprofessor. Von seinen Eltern lernte er schon als Kind eine Menge über Mathematik, Literatur, Kunst und auch Elektronik, eine Mischung, die es ihm erlaubte, später „Computer und Literatur zu kombinieren“, wie er sagt. Sein Studium an der Universität von Illinois absolvierte er innerhalb von zwei Jahren mit Auszeichnung, wobei er durch die Bereitschaft, auch auf ungewöhnlichen Wegen zum Ziel zu gelangen und seine schnelle Auffassungsgabe auffiel. Die Bedienung des Großrechners soll er allein durch Zuschauen erlernt haben. Das Projekt Gutenberg, benannt nach dem Erfinder der Buchdruckerkunst, die erstmals die weite Verbreitung des geschriebenen Wortes ermöglichte, begann Hart 1971 in dem besagten Labor der Universität.In mühsamer Kleinarbeit fing er an die Unabhängigkeitserklärung der USA einzutippen, zunächst neben seinem Studium, später nach Feierabend wenn er von seiner Arbeit als Schallplattenverkäufer nach Hause zurückgekehrt war. 1988 hatte er auf diese Weise gerade zehn Bücher fertiggestellt, als er in dem Universitäsmitarbeiter Mark Zinzow einen Förderer fand, der ihm über die Universität den Zugang zum Internet und einen FTP-Server verschaffte. Auch wurde die kleine orthodoxe römisch –katholische „Benedictine University“ auf ihn aufmerksam. Die Universität ernannte ihn zum „Professor of Electronic Text“ und zahlte ihm ein kleines Gehalt. So konnte sein Projekt unaufhaltsam wachsen: Ende 1996 waren 750 Bücher digitalisiert, und 1997 wurde die 1000 Grenze überschritten. Allerdings macht ihm das amerikanische Urheberrecht zu schaffen, das die Schutzfrist vor kurzem auf 50 Jahre nach dem Tod dem Autors heraufgesetzt hat, weshalb seine digitale Bibliothek nur ältere Literatur beinhaltet. Auch ist er auf Spenden angewiesen, denn er lehnt es kategorisch ab, sein Projekt durch Werbung zu finanzieren. In der Presse wird Michael Hart als exzentrische Persönlichkeit beschrieben, besonders seine Eßgewohnheiten haben es den Journalisten angetan. Wired schreibt 1997, er habe sich bei einem Interview eine Pizza dick mit Zucker bestreut „Das sind 2000 Kalorien, die halten mich eine Weile auf den Beinen“, wurde er zitiert. Eine andere Zeitschrift berichtete, er hätte diesen Pizza-Zuckerguß mit Knoblauchbutter vervollständigt und zwei Tuben Mayonnaise für sein Sandwich verbraucht. Hart lebt und arbeitet in einem Haus in Urbana, Illinois, das er sich von einer Erbschaft gekauft hat. Es soll mit Büchern, CD-ROMs, Disketten und anderen Gegenständen angefüllt sein, die er auf Garagenflohmärkten ersteht oder auf dem Sperrmüll findet. Spötter bezweifeln den Sinn seines Projektes, da es viel zu unpraktisch sei, ein Buch auf dem Monitor zu lesen oder selbst auszudrucken. Michael Hart verweist darauf, daß eine Zeit kommen wird, in der jedermann ein elektronisches Buch besitzen wird, das er dann mit Literatur aus dem Projekt Gutenberg füllen kann.
Beitagsbild: By „Marcello“ – CC BY-SA 3.0,